LNG für die Versorgung Deutschlands
Im Vordergrund sind die „Hoegh Gannet“ (links) und ein LNG-Tanker (rechts) zu sehen, ebenfalls an der Pier des Universalhafens an der Elbe liegen einige Massengutschiffe
© Hanseatic Energy Hub GmbH/ Brunsbüttel Ports

LNG für die Versorgung Deutschlands

Brunsbüttel und Stade stehen mit ihren LNG-Terminals im Fokus für Deutschlands Energieversorgung. Beide Elbehäfen planen landseitige LNG-Terminals zu bauen und zu betreiben.

LNG-Terminals spielen inzwischen eine wichtige Rolle bei der Versorgung mit Erdgas für Industrie, Gewerbe und Haushalte. Mit Brunsbüttel und Stade sind gleich zwei Häfen an der Elbe als Standorte für LNG-Terminals ausgesucht worden. Brunsbüttel beschäftigt sich bereits seit 2011 mit dem Thema Liquefied Natural Gas (LNG). „Damals sollte es in erster Linie als Schiffstreibstoff dienen“, sagt Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports.

Anfang des Jahres 2023 wurde im Auftrag der Bundesregierung die „Hoegh Gannet“, ein schwimmendes LNG-Terminal mit Regasifizierungsanlage (Floating Storage and Regasification Unit, abgekürzt FSRU), im Brunsbütteler Elbehafen stationiert. Über sie wird verflüssigtes Erdgas importiert, regasifiziert und in das deutsche Gasnetz eingespeist. FSRUs gelten als eine schnelle Lösung für den Import großer Mengen verflüssigten Erdgases nach Deutschland.

Die rund 300 Meter lange „Hoegh Gannet“ ist in der Lage, in einem Entladevorgang jeweils bis zu 170.000 Kubikmeter LNG von Tankern aufzunehmen. Die Regasifizierungskapazität beträgt 750 Millionen Standardkubikfuß pro Tag, was einer Netzeinspeisung von 3,5 bis 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr entspricht. Die „Hoegh Gannet“ liegt jetzt dauerhaft in Brunsbüttel und lagert das LNG bei minus 161 Grad Celsius in eigens für diese niedrigen Temperaturen geeigneten Tanks. Kommerzielle Betreiberin des Terminals ist die Deutsche Energy Terminal (DET), die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) agiert.

„Die Hoegh Gannet

kann 170.000

Kubikmeter

LNG aufnehmen."

Doch warum Brunsbüttel? Auf einer Fläche von 2.000 Hektar ist der ChemCoast Park Brunsbüttel angesiedelt. Er ist mit knapp 4.500 Arbeitsplätzen direkt vor Ort das größte Industriegebiet in Schleswig-Holstein, wo Unternehmen aus der Chemie- und Mineralölwirtschaft, Energieerzeuger, Logistiker und andere Industriezweige produzieren und handeln. Sie alle profitieren von der strategischen Lage an Elbe und Nord-Ostsee-Kanal und der Nähe zur Metropole Hamburg. Aufgrund seines Zugangs zu erneuerbaren Energien bietet der Standort enormes Potenzial insbesondere im Hinblick auf die Energiewende.

„Unsere Motivation war – und ist auch weiterhin – das Wissen, dass wir mit unserer Arbeit des vergangenen Jahres maßgeblich dazu beitragen konnten, dass Deutschland auch weiterhin zuverlässig mit Gas versorgt wird“, erzählt Schnabel.

Dass diese Arbeit dabei auch dem gesamten Industriegebiet zugutekommt, welches selbst einen sehr hohen Gasbedarf hat, sei ein sehr positiver Effekt für die in Brunsbüttel ansässigen Unternehmen. Abgeschlossen sei die Arbeit damit jedoch noch lange nicht. „Nachdem wir den Winter 2022/23 mithilfe des eingespeisten LNG gut überstanden haben, arbeiten alle am Projekt Beteiligten aus Bund, Land, Behörden und die Vertreter vor Ort unter Hochdruck weiter, um auch gut durch den bevorstehenden Winter zu kommen“, betont er.

LNG für die Versorgung Deutschlands
Darstellung einer Schiffssimulation, die schon heute zum Teil Realität ist.
© Hanseatic Energy Hub GmbH/ Brunsbüttel Ports

Auf dem Weg in die Energiewende sei LNG eine wertvolle Brückentechnologie, die zur Diversifizierung der deutschen Energiebezugsquellen beitrage und langfristig den Weg für den Import grüner Energieträger bereite. „Insbesondere nach dem Ausfall russischer Gaslieferungen ist die Errichtung einer vielseitigen Energie-Import-Infrastruktur in Deutschland unverzichtbar, um Industrie und Privathaushalte weiterhin pipelineunabhängig mit Gas zu versorgen“, sagt Schnabel. Diese Infrastruktur soll langfristig auch für den Import grüner Energieträger wie grüner Wasserstoff beziehungsweise grüner Ammoniak als Wasserstoffderivat umgewidmet werden.

Der Energiehafen Brunsbüttel blickt auch in die Zukunft. So verfolgt beispielsweise die German LNG Terminal mit Sitz in Brunsbüttel den Plan, ein landseitiges LNG-Terminal am Standort zu bauen und zu betreiben. Die Planungen sehen vor, dass perspektivisch nach dem Import von LNG auch grüner Wasserstoff beziehungsweise dessen Derivate in Brunsbüttel angelandet werden können. Der Energiehafen will künftig außerdem selbst grünen Wasserstoff produzieren, um damit die zukünftig dekarbonisierte Industrie langfristig versorgen zu können.

LNG für die Versorgung Deutschlands
Visualisierung des geplanten Importterminals im Hafen von Brunsbüttel.
© Hanseatic Energy Hub GmbH/ Brunsbüttel Ports

Brunsbüttel kann als ein wichtiger Baustein in der Energieinfrastruktur Norddeutschlands und somit auch für Hamburg betrachtet werden, da es zur Energieversorgung, Wirtschaftsentwicklung und zum Umweltschutz beiträgt. „Die Hafenstandorte Brunsbüttel und Hamburg verbindet seit vielen Jahren eine enge und vertrauensvolle Partnerschaft, mit dem Ziel, den Wirtschaftsraum an der Unterelbe zukunftsfähig aufzustellen und zu gestalten“, betont Schnabel. Dabei können beide Standorte einander auf Basis ihrer individuellen Stärken und Potenziale ergänzen und sich bei der Bewältigung verschiedenster Herausforderungen gegenseitig unterstützen.

Auch in Stade wird planmäßig Ende 2023 eine neue FSRU vor Anker gehen. Die „Transgas Force“ der Reederei Dynagas ist eines der fünf von der Regierung gecharterten schwimmenden LNG-Terminals, das die bundeseigene Gesellschaft Deutsche Energy Terminal (DET) betreibt. Die FSRU ist 294 Meter lang und fasst 174.000 Kubikmetern LNG, was einer Netzeinspeisung von sechs Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr entspricht. Bei einem geschätzten Verbrauch von rund 20.000 Kubikmetern pro Haushalt und Jahr könnten damit entsprechend 300.000 Haushalte versorgt werden. Die FRSU kann bereits vorhandene Infrastrukturen des geplanten landbasierten Terminals nutzen, die Anbindung an das deutsche Gasnetz erfolgt zudem über eine sehr kurze Anschlussleitung.

In Stade entsteht derzeit der Hanseatic Energy Hub (HEH), ein unabhängiges, zukunftsflexibles Importterminal für verflüssigte Gase. Shareholder des privat finanzierten Projektes sind die Hamburger Buss Group, die spanische Enagás, die Schweizer Partners Group und das Chemieunternehmen Dow. Der HEH wird im bestehenden Industriepark in Stade als Zero-Emission- Terminal realisiert, das bei der Regasifizierung, also der Rückwandlung des verflüssigten Gases in seinen gasförmigen Zustand, auf die Abwärme von Dow zurückgreifen kann. Durch die fast 50-jährige Erfahrung mit Flüssiggasen am Standort sind HEH zufolge höchste Sicherheitsstandards gewährleistet.

„Mit dem HEH entsteht in Stade ein Importterminal, das die Versorgung Deutschlands mit LNG und grünen Gasen sichert und zugleich den Markthochlauf von Wasserstoff vorbereitet“, erläutert Dr. Johann Killinger, Mitgesellschafter und Geschäftsführer des HEH. Das landbasierte Terminal werde 2027 Ammoniak- ready in Betrieb gehen. „Die Basis hierfür bildet ein zukunftsflexibles Baukastensystem für die grüne Energiewende, das die vielfältigen Möglichkeiten der Visualisierung des geplanten Importterminals im Hafen von Brunsbüttel. Energieregion in den Bereichen Chemie, Logistik und der Energiewirtschaft bestmöglich nutzt und zusammenführt“, fügt er hinzu.

Der Industriepark Stade liegt laut HEH ideal: verkehrsgünstig an der Elbe, mit Zugang zur Nordsee sowie zum Hamburger Hafen, in der Nähe von zwei Autobahnen und dem größten europäischen Rangierbahnhof in Maschen. Verflüssigte Gase können per Schiff, Lkw und künftig auch per Bahn verteilt werden. Pipelines gewähren Zugang zum deutschen Gasnetz. Der Hafen selbst ist für die größten LNG-Tankschiffe mit einer Länge von 345 Meter erreichbar. Kleinere Tanker können LNG und Ammoniak aufnehmen, um entweder andere Häfen der Binnenschifffahrt zu beliefern oder um Schiffe in Hamburg, auf der Elbe und im Nord-Ostsee-Kanal unmittelbar mit Treibstoff („Bunkering“) zu versorgen.

Und warum LNG? Es ist transportfähig und ermöglicht damit eine Diversifizierung der Erdgaslieferländer. LNG ist damit den Experten zufolge eine wichtige Alternative zum Pipeline-Gas. Es stellt zudem einen emissionsarmen Kraftstoff für die Schifffahrt wie auch für den Schwerlastverkehr dar, da es kaum Feinstaub, kein Schwefeldioxid und bis zu 85 Prozent weniger Stickoxide verursacht. LNG kann langfristig auch klimaneutral als synthetisches LNG auf der Basis von erneuerbarer Energie und mithilfe des Power-to- X-Verfahrens produziert werden, bei dem überschüssige elektrische Energie in andere nutzbare Formen wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe umgewandelt wird.

Allerdings besteht auch die Sorge, dass beim Transport und bei der Verflüssigung des Gases Methanemissionen entstehen, die die Umweltbelastung erhöhen. Kritiker fürchten, dass durch die Nutzung von LNG eine verstärkte Abhängigkeit von Importen, insbesondere aus Ländern außerhalb Europas, entstehe. Sie argumentieren zudem, dass eine verstärkte Förderung von LNG die Entwicklung erneuerbarer Energien bremsen könnte.

Was ist LNG?

LNG ist eine ungiftige, farb- und geruchsfreie Flüssigkeit. Die Abkürzung LNG steht für Liquefied Natural Gas und bezeichnet verflüssigtes Erdgas. Durch die Verflüssigung bei minus 162 Grad Celsius und Atmosphärendruck nimmt es dann nur noch 1/600 seines gasförmigen Volumens ein. Dadurch lässt es sich leicht transportieren und speichern. Dies erfolgt dank hochmoderner Isolationsmaterialien der Schiffs- und Lagertanks ohne zusätzliche Kühlung verlustfrei. Gleiches gilt für Bio-LNG und SNG, synthetisch hergestelltes LNG. Quelle: HEH

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