Die Energiewende bietet für den Hamburger Hafen große Chancen
Seit gut einem Jahr ist Dr. Melanie Leonhard Wirtschaftssenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg.
© Daniel Reinhardt

Die Energiewende bietet für den Hamburger Hafen große Chancen

Im Interview erläutert Hamburgs Wirtschaftssenatorin Dr. Melanie Leonhard, wie sich der Hamburger Hafen künftig aufstellen möchte, um aktiv den Wandel hin zu mehr Klimaneutralität zu gestalten.

HHM: Im neuen Hafenentwicklungsplan gehören Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu den Leitmotiven. Wie wichtig ist dieses Motiv?

Dr. Melanie Leonhard: Der Transport von Waren per Schiff gehört zu den emissionsärmsten Transportwegen – ein Schiff, das nach Hamburg fährt, ersetzt viele hundert oder gar tausend LKW-Fahrten. Wir haben gute Ausgangsvoraussetzungen, aber auch große Ziele. Im neuen Hafenentwicklungsplan stehen Nachhaltigkeit und Klimaschutz daher weit vorn: Unser Ziel ist es, bis 2040 den Hafenbetrieb klimaneutral zu machen. Dabei geht es nicht allein darum, dass Hamburgs Klimaziele sich auf die ganze Stadt und damit auch auf den Hafen erstrecken.

Vielmehr ist der Klimaschutz für alle Akteure in der maritimen Wirtschaft und der globalen Logistik ein relevanter Businessfaktor. CO2-Emissionsrechte werden in den kommenden Jahren absehbar deutlich teurer. Wer einen kleineren CO2-Fußabdruck hat, wird dadurch Wettbewerbsvorteile haben. Investoren, Kreditgeber sowie Kunden richten ihre Entscheidungen außerdem zunehmend an Kriterien der Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit aus. Das bedeutet: Die Umsetzung von Klimaschutz-Maßnahmen und der Weg hin zur CO2-Neutralität sind für uns auch ein Business Case und ermöglichen uns, vorhandene Stärken des Hafens künftig noch mehr auszuspielen.

Deutschland will unabhängiger von einzelnen Staaten beim Import von Energieträgern werden. Dennoch müssen viele Rohstoffe nach Deutschland kommen. Die Häfen sind daher ein wichtiger Umschlagplatz. Welche Aufgaben kann der Hamburger Hafen übernehmen?

„Der Transport per
Schiff gehört zu den
emissionsärmsten
Transportwegen."

Der Hafen spielt eine wichtige Rolle bei der Stärkung von nachhaltigen Technologien und Energieträgern. Um die Versorgungssicherheit mit Energie gerade auch für die Industrie sicherzustellen, benötigen wir künftig andere als fossile Energieträger. Diese Rolle können künftig Wasserstoff und seine Derivate übernehmen und in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen. In Regionen, in denen viel Energie aus erneuerbaren Quellen bereitsteht, kann der Wasserstoff erzeugt und zu uns transportiert werden. Importterminals im Hafen erfüllen damit eine wichtige Aufgabe für die Versorgungssicherheit in Deutschland: Im Rahmen unserer Wasserstoff-Importstrategie sind bereits mehrere Ankündigungen für Importterminals erfolgt, zudem soll in den kommenden Jahren auch die Anbindung an die Wasserstoff-Pipeline HyPerLink I erfolgen, über deren Anbindung an HyPerLink III wiederum das immense Potenzial für den Wasserstoffimport aus Dänemark erschlossen werden kann.

Welche Möglichkeiten bestehen über den Umschlag hinaus?

Neben dem Import von erneuerbarer Energie kann aber auch im Hafen selbst Energie produziert werden, etwa durch Windkraftanlagen oder Photovoltaikanlagen beispielsweise auf Dächern von Lagerhallen. Neben dieser Rolle wird der Hamburger Hafen durch seine hervorragende Lage und die gute Bahninfrastruktur zudem weiterhin eine Schlüsselrolle als strategischer Knotenpunkt in ganz Norddeutschland übernehmen und als Universalhafen und wichtiger Industriestandort nicht nur für Umschlag, sondern auch für Produktion, Verarbeitung und als Logistikknoten eine wichtige Rolle spielen. Auf dem Grundstück des stillgelegten Kohlekraftwerks Moorburg entsteht zudem mitten im Hamburger Hafen bzw. Industriegebiet ein zentraler Elektrolyseur mit zunächst 100 MW Leistung, die künftig auf voraussichtlich bis zu 800 MW erweitert werden sollen.

Auf welche Energieträger ist der Hamburger Hafen bereits vorbereitet?

In Hamburg gibt es eine lange Tradition des Umschlags von Energieträgern. In der Vergangenheit waren das vor allem fossile Treibstoffe. Wir können auf diese Erfahrungen zurückgreifen und verfügen zudem über eine gut ausgebaute Infrastruktur, welche wir nun für andere Energieträger umrüsten und weiterverwenden können. Dazu zählen Terminals und Leitungssysteme. Dieses solide Fundament wollen wir nutzen und ausbauen.

Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Im Jahr 2022 wurde beispielsweise eine Partnerschaft zwischen Air Products und Mabanaft vereinbart, die darauf zielt, ein modernes Importterminal für grüne Energie in Hamburg aufzubauen. Dieses Terminal, das ab 2026 am bestehenden Tanklager von Mabanaft angesiedelt sein wird, markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung grünen Ammoniaks als zukunftsträchtigen Energieträger und als geeigneten Trägerstoff für den Import von grünem Wasserstoff. Verflüssigter Ammoniak, der eine besonders hohe Wasserstoff-Speicherkapazität aufweist, soll in Flüssiggastankern in den Hamburger Hafen transportiert werden, die Terminalinfrastruktur wird zu diesem Zwecke angepasst und erweitert. Zudem kooperieren Evos Hamburg und die Lother Gruppe, um im Rahmen des Vorhabens „Hamburg Blue Hub“ ab 2026 auf dem Betriebsgelände der Evos Hamburg e-Methanol, e-Fuels, HVO, e-Diesel und im Verlauf der zeitlichen Entwicklung Wasserstoff und seine Derivate einzuführen und zu lagern und somit dabei zu helfen, Hamburg als zentrales Verteilungszentrum in Europa aufzubauen. Aber auch für den Hafen selbst spielen neue Energieträger eine Rolle, etwa bei der Bebunkerung von Schiffen.

„Der Hamburger Hafen
wird durch seine hervor-
ragende Lage und die gute
Bahninfrastruktur weiterhin

eine Schlüsselrolle übernehmen."

Sie sprachen den 100-MW-Elektrolyseur auf dem ehemaligen Gelände in Moorburg an. Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?

Der Projektfortschritt für den 100-MW-Elektrolyseur in Moorburg ist vielversprechend, das Konsortium hinter dem Projekt ist solide aufgestellt. Im Rahmen der Important Projects of Common European Interest (IPCEI) zum Thema Wasserstoff wird Anfang des nächsten Jahres eine Förderzusage erwartet, die Genehmigung für einen vorzeitigen Maßnahmenbeginn wurde bereits erteilt. Zudem werden schon jetzt alle notwendigen Vorbereitungen getroffen, um eine zeitnahe Skalierung der initialen Leistung von 100 MW auf voraussichtlich bis zu 800 MW insgesamt einleiten zu können. Der künftig im Hamburger Hafen produzierte Wasserstoff wird über das ebenfalls im IPCEI Wasserstoff für eine Förderung vorgesehene lokale Verteilnetz HH-WIN zu den Verbrauchern gelangen und zudem auch an das überregionale Kernnetz HyPerLink I angeschlossen werden, das mit seiner Ausdehnung bis nach Nordrhein-Westfalen und dem Anschluss an europäische Netzstrukturen die Anbindung an den Gesamtmarkt sicherstellt.

Die Energiewende bietet für den Hamburger Hafen große Chancen
Flächendefinition im neuen Hafenentwicklungsplan
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Die Energiewende insgesamt und die Dekarbonisierung sind derzeit populäre Schlagworte, die Transformation der Häfen schreitet in ganz Europa voran. Wie stellen sich die Hamburger Hafenwirtschaft und die Hamburg Port Authority (HPA) diesen Herausforderungen, um den Hamburger Hafen entsprechend neu zu positionieren?

Die Energiewende bietet auch für den Hamburger Hafen große Chancen. Der Umschlag, die Produktion, die Verteilung und die Nutzung von nachhaltigen Brennstoffen und Energieträgern stellt als Wachstumsmarkt großes Potenzial dar. Schon heute ist der Hamburger Hafen selbst Energieproduzent und kann dies in Zukunft weiter ausbauen. Darüber hinaus ist der Import von Energieträgern für die Versorgungssicherheit Deutschlands insgesamt elementar. Wir wollen einen Teil des Hafens als „Sustainable Energy Hub“ ausbauen. Er soll als tragende Säule des Universalhafens Hamburg entwickelt werden. Die Hamburg Port Authority (HPA) hat dafür den Geschäftsbereich „Port Energy Solutions“ (PES) gegründet. Darin sind die Verantwortlichkeiten und Projekte rund um den Sustainable Energy Hub, den Ausbau erneuerbarer Energien sowie Landstrom und Elektrifizierung gebündelt.

„Hafenflächen setzen wir
für nachhaltige Energieträger
sowie den Ausbau erneuerbarer
Energien im Hamburger Hafen ein.
"

Damit bringen wir die Vernetzung der Hafenunternehmen untereinander voran und stärken die Bedeutung des Hamburger Hafens als Energiehafen. Die Hafenflächen insbesondere im Bereich der Hohen Schaar setzen wir für nachhaltige Energieträger sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien im Hamburger Hafen ein. Wir treiben die Flächenentwicklung für Umschlag, Lagerung und Verarbeitung von Energieträgern voran und unterstützen die Transformation von Unternehmen im Hamburger Hafen durch geeignete Flächen und die räumliche Bündelung von Zukunftsaktivitäten. Unternehmen, die im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind, werden vorrangig angesiedelt.

Der Landstrom für Schiffe ist besonders für eine Stadt wie Hamburg sehr wichtig. Damit ließen sich die Emissionen der Schiffe vor Ort sehr weit reduzieren. Wie weit ist der Landstrom im Hamburger Hafen bereits fortgeschritten?

Hamburg ist mit seinen Landstromangeboten europaweit führend. Mit der Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe am Cruise Center Altona gibt es schon seit 2016 ein Angebot für eine umweltfreundlichere Energieversorgung, mit dem

wir Pionierarbeit geleistet und viele Erfahrungen gemacht haben. Wir treiben außerdem den Aufbau einer Landstrominfrastruktur voran, um noch mehr Schiffe während der Liegezeit im Hamburger Hafen mit Strom zu versorgen. In diesem Feld werden wir im kommenden Jahr gemeinsam mit unseren Reedereikunden große Schritte gehen. Wichtig ist uns dabei, dass der verwendete Strom aus regenerativer Energie stammt – das ist in Hamburg zu 100 Prozent der Fall. Gleichzeitig wissen wir, dass es für die Flotten langfristig eine klare und einheitliche Landstrom-Handhabung geben muss: Die Verfügbarkeit muss flächendeckend und die Verwendung technisch möglichst einheitlich sein. Wir bemühen uns daher parallel um eine Intensivierung der Partnerschaften mit den europäischen Häfen, um die Rahmenbedingungen für eine Abnahme von Landstrom für Seeschiffe zu verbessern.

Was sind die nächsten Etappenziele?

Ein weiterer Schritt, der jetzt ansteht, ist die Inbetriebnahme der Anlage in Steinwerder. Es folgen der Ausbau von Landstromanlagen an den Containerterminals Altenwerder, Burchardkai, Tollerort und Eurogate. Zusätzlich rüsten wir auch die Cruise Center Steinwerder und HafenCity mit Landstromanlagen aus. Eine weitere entscheidende Rolle bei der Bereitstellung emissionsfreier Energie an wenig frequentierten Liegeplätzen könnten mobile Plattformen spielen. Diese Möglichkeit prüfen wir.

Parallel dazu ist die HPA dabei, die eigene Flotte – ob nun Fahrzeug oder Schiff – zu dekarbonisieren. Wo steht die Hafenverwaltung hier?

Seit 2017 bündelt die Flotte Hamburg unsere städtischen Wasserfahrzeuge und kommt mit zahlreichen Maßnahmen sehr gut voran. Die fünf Säulen unserer Strategie bestehen aus dem 100-prozentigen Einsatz innovativer Kraftstoffe, dem Einsatz von Katalysatoren und Partikelfiltern bei allen Neubauten der Flotte, der Nachrüstung der Bestandsflotte mit Abgasnachbehandlung, dem weiteren Testen innovativer Antriebstechnologien und dem Schulen der Crews im energieeffizienten Fahren. Damit konnten wir schon einige Emissionen senken

Dr. Melanie Leonhard ist seit Dezember 2022
Wirtschaftssenatorin der Freien und
Hansestadt Hamburg. Zuvor leitete
sie als Präses die Sozialbehörde. Ihre
politische Karriere begann im Jahr
2004 als Mitglied der Bezirksversamm-
lung in Harburg. Seit 2018 ist sie auch
Landesvorsitzende der SPD Hamburg.
Die 44-Jährige studierte nach ihrem
Abitur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
In diesem Fach machte sie 2009 ihren Doktor.

© Daniel Reinhardt

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